Samstag, 22. März 2008

30 Jahre Einsamkeit

"There Will Be Blood" - Daniel Day-Lewis als rücksichtsloser Öl-Magnat, der im Kalifornien der Jahrhundertwende zu Macht und Reichtum kommt

(Foto: Walt Disney) - Die Luft brennt. Flammen steigen vom Boden auf und der Himmel färbt sich schwarz. Aufgeregte Stimmen ertönen, und doch scheinen sie weit weg von der Szenerie zu sein. Hastig werden Halterungsseile gelöst, ein Bohrturm fällt. Doch das Feuer brennt weiter, beständig, und nährt sich von jener riesigen Ölfontäne, die bei ihrem Ausbruch einige Minuten zuvor Decken und Wände der umliegenden Hütten erzittern ließ. Die Kamera löst sich jetzt von der Szenerie, fast widerwillig, und schwenkt auf einen einzelnen schnurbärtigen Mann, der gebannt in Richtung der Förderanlage starrt. Sein Gesichtsausdruck ist starr und aufgeregt zugleich, verärgert und doch erfüllt von einem freudigen Hauch der Vorahnung. Mit dem Zoom verschwimmen dann seine Konturen, bis sie schließlich kaum mehr zu erkennen sind und das Gesicht eintaucht in eine Welt voll öliger Dunkelheit.

Diese Szene ist bezeichnend für den Gesamtfilm, orientiert sie sich doch an seinen Hauptfarben, rot und schwarz, und zeigt sie sowohl den Reiz als auch die Gefahren, die das schwarze Gold mit sich bringen. Verlockung und Verhängnis, Vermögen und Verlust - Paul Thomas Andersons ("Magnolia", "Boogie Nights") lose Verfilmung des Upton-Sinclair-Romans "Oil!" illustriert bildreich drei Jahrzehnte im Leben des gewissenlosen Geschäftsmanns Daniel Plainview (kongenial: Daniel Day-Lewis). Dieser stößt Ende des 19. Jahrhunderts bei der Suche nach Silber auf ein kleines Ölvorkommen, wirft schon bald darauf Pickel und Hammer fort und beginnt mit ersten Bohrungen. Einen Hinweis des jungen Paul Sunday folgend, zieht es ihn zusammen mit seinem Sohn H.W. in den Westen Kaliforniens, wo er auf dem Gelände einer Ziegenfarm fündig wird. Kurzerhand kauft er die Farm und sämtliche Gebiete in der näheren Umgebung des kleinen Ortes Little Rock auf, lässt Arbeiter und Material kommen und errichtet Bohr- und Förderanlagen.

Der erwartete Reichtum stellt sich ein, doch gleichzeitig bekommt es Plainview mit einem Gegner zu tun, den er lange Zeit unterschätzt hatte: Eli Sunday (Paul Dano aus "Little Miss Sunshine") ist ein orthodoxer Baptistenprediger, der in seinem religiösen Fanatismus dem Öl-Magnaten in nichts nachtsteht und geschickt Kontrolle über die hiesige Dorfgemeinschaft ausübt. Als Plainview sich weigert, seine Ölquelle segnen zu lassen und er seinerseits Eli für jeden Unfall an der Baustelle verantwortlich macht, markiert das den Beginn einer tiefen Feindschaft. Jeder Erfolg des anderen wird kritisch beäugt, jeder Fehler mit blinder Wut ausgenutzt. Doch während Eli seine Bestimmung im heuchlerischen Seelenfang für die Kirche der dritten Offenbarung gefunden hat, beginnt Plainview damit, in jeder Person einen potentiellen Widersacher zu sehen. Bis schließlich 30 Jahre Ruhm, Machthunger und Einsamkeit vorbei sein werden, wird noch viel Blut fließen müssen...

Es mag enttäuschen, dass außer Daniel Day-Lewis und dem erneut starken Paul Dano alle anderen Charaktere in "There Will Be Blood" blass und eindimensional wirken. Wirklich überraschend ist es aber nicht angesichts einer Oscar-prämierten One-Man-Show, die ihren Reiz gerade aus der starren Personenfixierung und dem Nicht-Erklären gewinnt. Ob diabolisches Monster, eiskalter Geschäftsmann oder emotionsloser Gefühlskrüppel - dem Zuschauer ist es selbst überlassen, wie er über Daniel Plainview urteilt. Alle Deutungen erscheinen richtig und zugleich nur halb zutreffend. Gerade durch das Weglassen jeglicher Motive und Beweggründe erscheint der Charakter so rätselhaft-bestialisch und undurchschaubar, wie er ist.

Paul Thomas Anderson erschafft mit seinem insgesamt 158 Minuten langen Film einen düsteren Ölthriller, der gleichzeitig als beklemmendes Vater-Sohn-Drama daherkommt und dem eine Straffung um die ein oder andere Minute sicherlich nicht geschadet hätte. Doch trotz manch sperriger Szenen und des atmosphärischen, aber bisweilen enervierend-langatmigen Soundtracks des Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood ist "There Will Be Blood" ein gelungenes Portrait über Familie, Machtgier und Fortschrittswahn. Ein Portrait, das die unterschiedlichen Facetten der Ölindustrie aufzeigt: Macht und Reichtum, Tod und Verderben. Nicht zuletzt unter diesem Aspekt ein hochaktuelles Thema also.

7.5 von 10 Fördertürmen

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